Essen im Überfluss – und doch für die Tonne
- Sebastian
- vor 2 Tagen
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Knapp 11 Millionen Tonnen landen in Deutschland jährlich im Müll. Wieso in einem wirtschaftlich entwickelten Industriestaat dennoch eine so hohe Menge an Nahrung verschwendet wird, liegt an einer Mischung aus technologischen Herausforderungen, gesetzlichen Vorgaben, wirtschaftlichen Strukturen und Konsumgewohnheiten. In diesem Beitrag zeigen wir Dir die massiven Auswirkungen der Lebensmittelverschwendungen. Wir zeigen dir aber auch Initiativen, die dem entgegenwirken und wie jeder Einzelne von uns mit noch so kleinen Schritten einen wertvollen Beitrag leisten kann.

Fakten und Folgen der Lebensmittelverschwendung
Laut dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat fielen im Jahr 2022 entlang der gesamten Versorgungskette rund 10,8 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle an (BMEL, 2025). Eine Zahl, die erst rückblickend nach umfangreichen systematischen Analysen erfasst werden konnte, wobei das gewaltige Ausmaß der Lebensmittelverschwendung auch vom Umweltbundesamt (2025), sowie vom Thünen-Institut (2024) bestätigt wurde.
Diese Mengen stellen nicht nur ein ethisches und ökonomisches Problem dar, sondern vor allem ein ökologisches. Denn allein die verschwendete Produktion und ihre Entsorgung verursachen etwa 22 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente pro Jahr, was in etwa den jährlichen Emissionen von fast elf Millionen Pkw entspricht (Umweltbundesamt, 2025). Rechnet man die 10,8 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle in eine Landwirtschaftliche Anbaufläche um, so ergibt sich für diese Menge eine verschwendete Anbaufläche von rund 15.600 km². Das entspricht in etwa der Fläche Schleswig-Holsteins, wendet man den Flächenfaktor der WWF-Studie von 2017 an. Wie der WWF betont, sind bestimmte Abfälle aufgrund technologischer Abläufe entlang der Produktionskette derzeit noch unvermeidbar und verweist darauf, dass diese mit zukünftigen Innovationen weiter gesenkt werden könnten. Dennoch, so wird es jedoch auch betont, sei der absolute Großteil vermeidbar (WWF Deutschland)
So werden beispielsweise Produzenten und Händlern durch bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen wie Kennzeichnungspflichten oder das Mindesthaltbarkeitsdatum häufig gezwungen, Lebensmittel auszusortieren, die eigentlich noch verzehrfähig wären (BMEL, 2019; Verbraucherzentrale, 2023).

Ein oft unterschätzter Treiber der Lebensmittelverschwendung, wie das Thünen-Institut herausgestellt hat, denn laut Berechnungen entstehen in Deutschland rund 12 % der Verluste allein durch gesetzliche Vorgaben, etwa durch Vermarktungsnormen oder Kennzeichnungspflichten. Noch deutlicher wirken sich jedoch die zusätzlichen Handelsstandards aus: Hier werden bis zu 20 % der Ernte aussortiert, weil Obst und Gemüse nicht die geforderten Größen, Formen oder optischen Kriterien erfüllen – obwohl sie gesundheitlich vollkommen unbedenklich wären (Thünen-Institut, 2022).
Zusammengenommen zeigt sich: Ein nicht unerheblicher Teil der Lebensmittelverschwendung in Deutschland ist direkt auf politische und marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen zurückzuführen, die dringend reformiert werden müssen, wenn echte Fortschritte erzielt werden sollen. Doch nicht weniger gravierend zeigt sich auch, dass etwa 58 Prozent der Abfälle in privaten Haushalten entstehen (Umweltbundesamt, 2025). Die Ursachen dafür sind vielfältig und rangieren von Unsicherheit beim Umgang mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum, fehlende oder unklare Informationen in Bezug auf Lagerung bis hin zu unbedachten Einkaufsentscheidungen.
Alles in allem sehen wir, dass es so nicht weitergehen kann. Nachdem wir nun einen Blick auf die Ursachen und Dimensionen der Lebensmittelverschwendung geworfen haben, stellt sich die Frage, was wir konkret tun können, um diese gewaltigen Mengen zu reduzieren?
Wie es funktionieren kann
Aufgrund dieser alarmierenden Dimensionen werden die Stimmen in Gesellschaft und Wissenschaft immer lauter, die auf den Missstand der Lebensmittelverschwendung hinweisen. Dabei lohnt sich ein Blick über die Grenzen, denn es gibt im Internationalen Vergleich viele Initiativen, die Hoffnung machen. So haben Ländern wie Frankreich, Italien und Dänemark, wo erste klare politische Rahmenbedingungen geschaffen, um den Umgang mit Lebensmitteln nachhaltiger zu gestalten.
Zum Beispiel hat Frankreich seit 2016 Supermärkte, die über 400 m² groß sind, dazu verpflichtet genießbare und nicht verkaufte Lebensmittel zu spenden (Zero Waste Europe Factsheet, 2020). Italien koppelt solche Spenden zusätzlich an steuerliche Vorteile, wodurch die Bereitschaft zur Abgabe deutlich gestiegen ist. In Dänemark wurde durch die Initiative „Stop Wasting Food“ innerhalb von fünf Jahren ganze 25 Prozent weniger Lebensmittel verschwendet, unterstützt durch öffentlichkeitswirksame Kampagnen mit politischem Rückhalt (Stop Wasting Food, 2023).
Auch in Deutschland wurden mit der „Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ erste Schritte unternommen. Sie setzt auf Dialogforen mit Branchen, fördert technische Innovationen und will die Verbraucherschaft durch Öffentlichkeitsarbeit stärker sensibilisieren. Dennoch kritisieren Verbände und Experten, dass es bisher an verbindlichen Zielen und klaren Sanktionen mangelt.
Der Wille ist jedoch eindeutig da
Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich unter den Verbrauchern die Bereitschaft stetig erhöht, das eigene Umweltbewusstsein zu steigern und die damit einhergehende persönlichen Einstellungen zu hinterfragen, um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken (Melnyk et al., 2025)
Dabei können kleine Schritte im Alltag bereits viel bewirken. Beispielsweise zeigt die Kampagne „Schauen, Riechen, Schmecken“ eindrucksvoll, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) nicht gleich das Verbrauchsdatum ist. Die Kampagne zeigt, wie es oft einfach ist, selbst einzuschätzen, ob Produkte noch genießbar sind und stärkt somit das Bewusstsein für einen verantwortungsvolleren Umgang mit Lebensmitteln.
Doch auch in Unternehmen werden die Stimmen immer lauter, die der großen Lebensmittelverschwendung entgegenwirken wollen, schließlich fällt es auch Mitarbeitenden im Handel oder in der Produktion nicht leicht, einwandfreie Lebensmittel zu entsorgen. Gerade deshalb gewinnen private Initiativen wie Foodsharing oder die Tafelbewegung zunehmend an Bedeutung, da sie direkt im Alltag der Menschen wirken und die Idee der Lebensmittelrettung greifbar machen. Alleine die 960 lokalen Tafeln retten in Deutschland jährlich rund 265.000 Tonnen überschüssige Lebensmittel und versorgen dabei noch mehr als 2 Millionen bedürftige Menschen (Tafel Deutschland, 2023).
Ein weiteres gelungenes Beispiel ist die Initiative „Too Good To Go“, die Unternehmen und Verbraucher über eine digitale Plattform miteinander verbindet und so ermöglicht, überschüssige Lebensmittel einfach und wirksam vor dem Wegwerfen zu retten.

Wie wir mit der App "Too Good to Go" große Mengen an Lebensmitteln retten
Als Unternehmen sehen wir uns bei RiCE UP in der Verantwortung alles mögliche zu Versuchen, der massiven Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Die App „Too Good To Go“ stellt dabei eine innovative digitale Lösung dar, die wir schon lange nutzen und mit der wir bereits viel bewirken konnten.
„In unserem Unternehmen weiß jeder: Lebensmittel sind zu wertvoll für die Tonne. Daher legen wir großen Wert darauf unsere Bestände transparent zu erfassen und entsprechend der Mindesthaltbarkeitsdaten sinnvoll zu bündeln. Somit entsteht ein wichtiger Überblick über die Restbestände von Lebensmitteln mit einer einwandfreien Qualität, den wir anschließend in die App Too Good to Go einpflegen... und die Resonanz ist großartig!“ Arev Karpert, Mitgründer von RiCE UP
Die App verbindet auf eine einzigartige Weise Unternehmen und Verbraucher, durch ihre gemeinsame Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln. Wer somit über "Too Good To Go" eine sogenannte „Überraschungstüte“ abholt, rettet nicht nur Essen, sondern wird auch Teil einer wichtigen Bewegung

Seit unserem Start Anfang 2023 konnten wir bereits 2.447 Überraschungstüten retten und dadurch rund 6,61 Tonnen CO₂ einsparen. Jede einzelne Tüte bedeutet für uns nicht nur weniger Verschwendung, sondern auch einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz – und sind dankbar über jede, die wir gemeinsam mit euch retten konnten.
Lebensmittel sind zu wertvoll für die Tonne
Lebensmittel sind zu kostbar, um im Abfall zu landen, denn jede verschwendete Mahlzeit steht für verlorene Arbeit, wertvolle Ressourcen und unnötige Emissionen. Die gute Nachricht ist, dass sich ein erheblicher Teil vermeiden lässt, wenn Politik, Wirtschaft und wir alle als Gesellschaft gemeinsam an Lösungen arbeiten. Wie wir gesehen haben gibt es bereits zahlreiche Initiativen, die mittlerweile die Herzen von so vielen erreicht haben. Sie zeigen uns, dass es Wert ist, jeden noch so vermeintlich kleinen Schritt zu setzen, auf dem Weg zu einem wachsenden Bewusstsein für das was uns nährt.
Quellen:
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft [BMEL]. (2025, 25. Juni). Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung: Aktuelle Zahlen und Fortschritte 2025. Berlin: BMEL. Verfügbar unter https://www.bmel.de
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft [BMEL]. (2019, 19. Februar). Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. BMEL. https://www.bmel.de
BUND. (2023, 27. September). Lebensmittelverschwendung: Deutschland braucht bessere Gesetze. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. https://www.bund.ne
Deutscher Bundestag. (2024). Bürgerrat Ernährung: Bürgergutachten zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Deutscher Bundestag. https://www.bundestag.de
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg [HAW Hamburg]. (2024). Monitoring der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. HAW Hamburg. https://www.haw-hamburg.de
Melnyk, D., et al. (2025). Being the “Better” student: intentions to reduce food waste. Discover Sustainability, 6, Article 201
Tafel Deutschland e. V. (2023). Jahresbericht 2023 – Lebensmittel retten. Menschen helfen. Berlin: Tafel Deutschland e. V
Thünen-Institut. (2024, 18. Juni). Lebensmittelabfälle in Deutschland: Datengrundlage und Monitoring 2024. Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut. Verfügbar unter https://www.thuenen.de
Too Good To Go. (2025). Oft länger gut: Verbraucher:innen-Kampagne zur Haltbarkeit. Too Good To Go. https://toogoodtogo.org
Umweltbundesamt. (2025, 8. Februar). Lebensmittelabfälle in Deutschland 2022: Aktuelle Auswertungen und Umweltwirkungen. Dessau-Roßlau: UBA. Verfügbar unter https://www.umweltbundesamt.de
Verbraucherzentrale Bundesverband [vzbv]. (2023, 12. Oktober). Reduzierung von Lebensmittelabfällen: Stellungnahme und Forderungen. vzbv. https://www.vzbv.de
WWF Deutschland. (2017). Das große Wegschmeißen: Vom Acker bis zum Verbraucher – Ausmaß und Folgen der Lebensmittelverschwendung in Deutschland. Berlin: WWF Deutschland. Verfügbar unter https://www.wwf.de
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