Ein unsichtbarer Schatz - Ein Plädoyer für mehr Achtsamkeit im Umgang mit Wasser
- Sebastian
- 6. Okt.
- 7 Min. Lesezeit
Wasser ist die stille Grundlage unseres Lebens und doch wird seine Bedeutung für Umwelt und Gesellschaft oft unterschätzt. Dabei steckt in jedem Produkt unsichtbares auch sogenanntes „virtuelles Wasser“, also die Gesamtmenge von Wasser, die von der Produktion bis zum Import verbraucht wird. Am stärksten zeigt sich das in der Landwirtschaft, die mehr Wasser benötigt als jede andere Branche. In diesem Beitrag erfährst du, warum jedes Lebensmittel auch eine Wassergeschichte erzählt und weshalb wir dringend lernen müssen, bewusster mit diesem Schatz umzugehen.

Wasserknappheit ist ein global vernetztes Problem
Wie bereits oben erwähnt, bezeichnet man die gesamte Wassermenge, die für Herstellung und Transport eines Produkts benötigt wird, als „virtuelles Wasser“. In vielen Regionen der Welt, die für den globalen Markt produzieren, verschärft sich das Problem der Wasserknappheit zunehmend. Zwar stehen dort oft mehr Sonnenstunden oder günstigere klimatische Bedingungen für den Anbau zur Verfügung, doch gleichzeitig sind die lokalen Wasserressourcen meist deutlich begrenzter. Gerade deshalb wiegt es schwer, dass aus diesen Regionen hohe Mengen an "virtuellem Wasser" exportiert werden – mit gravierenden Folgen für das ökologische Gleichgewicht und die sozialen Lebensbedingungen der Menschen vor Ort.
Deutschland ist in diesem Bilde, wie viele andere EU-Staaten, Netto-Importeur von virtuellem Wasser und es gibt mittlerweile genug Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass der Import vor allem aus Regionen herrührt, in denen die Wasserknappheit stetig steigt (Finogenova, Strohmaier & Bringezu, 2019). Treiber wie die großflächige Produktion von Tierfutter oder die hohe Nachfrage nach exotischen Früchten sorgen schließlich dafür, dass in wasserarmen Regionen riesige Anbauflächen intensiv bewässert werden müssen.

Das Problem verschärft sich also dort, wo örtliche Grundwasserreservoire übernutzt werden, was vor allem in Bezug auf ein Gleichgewicht des Grundwassers gemeint ist. Die Folgen sind dabei fatal, denn wenn Böden erst einmal austrocknen, verlieren sie ihre Fähigkeit Wasser aufzunehmen. Ein Teufelskreis, denn Regenfälle, die früher in den Boden sickerten und das Grundwasser speisten, fließen nun mehr oder weniger ungebremst ab. Somit wird der Boden mit der Zeit nicht nur "unfruchtbar" sondern auch anfällig für Erosion, sodass das Risiko von Überschwemmungen bei starken Regenfällen steigt. Wasserknappheit und Überflutung sind als scheinbar gegensätzliche Probleme also eng miteinander verwoben und entspringen oftmals derselben Wurzel: einem unsachgemäßen Umgang mit Wasser.
Massentierhaltung als größter Treiber des virtuellen Wasserverbrauchs
Eine weitere Verschärfung der Thematik wird von der globalen Massentierhaltung vorangetrieben, die dabei weltweit den größten Teil der Agrarflächen bindet. Rechnet man Weiden und Ackerland für Futtermittel zusammen, werden verschiedenen Untersuchungen nach rund 70 bis teilweise über 80 Prozent der insgesamt landwirtschaftlich genutzten Fläche dafür beansprucht. Eine Fläche, die wohlgemerkt stets bewässert werden muss (FAO, 2021; Poore & Nemecek, 2018). Dabei stellt die Sojapflanze mit Abstand den höchsten Bestandteil des weltweiten Tierfutters dar. Je nach Jahr und Region sind es laut Studien in etwa zwei Drittel bis drei Viertel des weltweiten Sojaanbaus, der in Form von sogenanntem Soja-Schrot vor allem von industriell hoch entwickelten Ländern importiert wird, um die Massentierhaltungen zu betreiben (Cassidy, West, Gerber, & Foley, 2013; OECD-FAO, 2023).
Der weltweite Flächenverbrauch wird somit in die Höhe getrieben, was sich wiederum im Wasserverbrauch spiegelt. Dies bringt nicht nur schwerwiegende Folgen für die Biodiversität mit sich, sondern auch für das weltweite Klima, da für die nötige Landwirtschaft oftmals riesige Waldflächen gerodet werden, was wiederum das CO2 Einsparungspotenzial vieler Regionen verringert (European Commission, 2023; Trase, 2023).

Ein besonders trauriges aber prominentes Beispiel für diese Dynamik findet sich im brasilianischen Amazonasgebiet. Dort werden riesige Flächen Regenwald gerodet, um vorwiegend Platz für den Sojaanbau zu schaffen, was wiederum überwiegend als Tierfutter nach Europa und Asien exportiert wird.
Wie zuvor angesprochen, sind die Folgen gravierend und reichen weit über die unmittelbare Region hinaus. Mit dem Verlust der Wälder schwindet nicht nur ihr enormes Potenzial zur CO2-Speicherung, auch das lokale Mikroklima gerät aus dem Gleichgewicht. Wo einst feuchte Luft vorherrschte, treten plötzlich Trockenheit und Dürren auf. Die zunehmende Austrocknung von Böden, Bäumen und Pflanzen schafft zudem ideale Bedingungen für Waldbrände – ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren weltweit immer häufiger zu beobachten ist.
Der Zusammenhang zwischen Agrarproduktion, Bodenaustrocknung und steigender Feuergefahr ist also keineswegs zufällig, sondern Ausdruck eines fragilen ökologischen Gleichgewichts, das aus den Fugen geraten ist. Hinzu kommt der schmerzliche Verlust an Artenvielfalt sowie gravierende soziale Folgen. Denn die Menschen vor Ort haben somit nicht nur weniger Zugang zu Wasser, sondern sind auch zunehmend Katastrophen wie Bränden oder Überschwemmungen ausgesetzt.

Unternehmen in der Pflicht und Verbraucher als Hebel
Obwohl Deutschland über ein vergleichsweises hohes Grundwasservorkommen verfügt, wächst auch hier die Bedeutung eines verantwortungsvollen Wassermanagements. Für Unternehmen wird es nicht zuletzt durch EU-Gesetzesinitiativen wie das CSRD (Corporate Sustainability Directive) wichtig, den eigenen Wasserverbrauch entlang der gesamten Lieferkette transparent zu machen. Dabei geht es nicht nur um die reine Wassermenge, die verbraucht wird, sondern zunehmend auch um die ökologischen und sozialen Folgen vor Ort, die damit zusammenhängen, sodass sogenannte Sourcing-Entscheidungen immer relevanter werden. Neben der Überprüfung der Anbaupraktiken gilt es ebenso eine Knappheits-Gewichtung in der Region durchzuführen, denn die Entnahme eines Liter Wassers aus einer regenreichen Region hat eine ganz andere ökologische Bedeutung als ein Liter, der aus einem dürregeplagten Gebiet entnommen wird (Dolganova, 2019; Marston et al., 2021; Vanham, 2013)

Innovative Ansätze zeigen, dass ein kreislauforientiertes Wassermanagement möglich ist.
Manche Betriebe nutzen Technologien zur Wiederaufbereitung von Prozesswasser, andere setzen auf geschlossene Kreisläufe, bei denen Abwässer gefiltert und wieder in die Produktion zurückgeführt werden (FoodDrinkEurope, 2025; EEA, 2025). Tröpfchenbewässerung, eine wassersparende Sortenwahl oder die Kombination von Anbau und Aufforstung können dabei in der Landwirtschaft helfen, Wasser effizienter zu nutzen und gleichzeitig die Böden widerstandsfähiger zu machen (FAO, 2020; Jägermeyr et al., 2016).
Eines bleibt jedoch auch klar.
Neben den strenger werdenden gesetzlichen Regularien und dem zunehmenden Engagement vieler Unternehmen, üben auch wir als Verbraucherschaft mit unserer Nachfrage einen wichtigen Hebel für den notwendigen Change aus. In vielen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass im Vergleich zu tierischen Lebensmitteln, der Anbau von Gemüse oder von Sättigungsbeilagen wie Reis, Kartoffeln oder Hülsenfrüchte hingegen im Schnitt sieben- bis achtmal weniger Wasser benötigt (Gerbens-Leenes, Mekonnen & Hoekstra, 2013).
Dieser Unterschied zeigt, wie viel Einsparpotenzial bereits auf der Ebene der Konsumentscheidungen liegt. Wer häufiger auf pflanzliche Alternativen setzt, sorgt also dafür das geringere Mengen an "virtuellem Wasser" nachgefragt werden, denn nicht zuletzt ist es die Verbraucherschaft, die mit ihrer Nachfrage einen entscheidenden Einfluss auf das Angebot ausübt. Je stärker Lebensmittel oder Produkte bevorzugt werden, die nachweislich wasserschonend hergestellt werden, desto eher lohnt es sich also auch für Unternehmen ihre Prozesse entsprechend umzustellen.
Unsichtbares sichtbar machen: Informationen als Schlüssel
Wie wir gesehen haben, werden die "wahren" Wasserkosten oftmals kaum erkannt oder berücksichtigt, denn jedes Produkt trägt eine unsichtbare Bilanz "virtuellen Wassers" in sich, welche wir auch als "Wasserfußabdruck" bezeichnen können. Eine Größe, die bisher nicht viele kennen und aktiv in ihre Kaufentscheidungen mit einbeziehen.

Dabei sind Informationen heute leichter zugänglich denn je. Verschiedene Datenbanken und Initiativen stellen Zahlen zu Wasserfußabdrücken bereit, die sich auch für Verbraucher nutzen lassen. Einige Informationen sind zwar weit verstreut, doch gibt es immer mehr Initiativen und Projekte, die diese erfassen und zusammengefasst bereitstellen. Eine dieser Initiativen, die aufzeigt, wie hoch der Wasserverbrauch für bestimmte Produkte ist und in welchen Regionen Wasserknappheit besonders problematisch ist, ist das „Water Footprint Network“.
Doch wie lassen sich diese Erkenntnisse nun im Alltag umsetzen?
Es geht nicht darum, perfekt zu handeln, sondern Schritt für Schritt mehr Verantwortung zu übernehmen. Schon kleine Veränderungen entfalten ihre Wirkung. Ein reduzierter Konsum an tierischen Lebensmitteln, die Bevorzugung saisonaler und regionaler Produkte, sowie das kritische Hinterfragen von Importwaren aus wasserarmen Regionen summieren sich zu einem bedeutenden Beitrag. Mit unserer Nachfrage können wir nämlich mehr bewirken als gedacht.
Quellen:
Cassidy, E. S., West, P. C., Gerber, J. S., & Foley, J. A. (2013). Redefining agricultural yields: From tonnes to people nourished per hectare. Environmental Research Letters, 8(3), 034015. https://doi.org/10.1088/1748-9326/8/3/034015
Dolganova, I. (2019). The water footprint of European agricultural imports: Hotspots in the context of water scarcity. Resources, 8(3), 141. https://doi.org/10.3390/resources8030141
European Commission. (2023). Regulation on deforestation-free products (EUDR). Brüssel: Europäische Kommission.
European Environment Agency. (2025). Water savings for a water-resilient Europe. Kopenhagen: EEA.
FAO. (2020). The State of Food and Agriculture 2020: Water challenges in agriculture. Rom: Food and Agriculture Organization of the United Nations.
FAO. (2021). The State of the World’s Land and Water Resources for Food and Agriculture – Systems at breaking point. Rom: Food and Agriculture Organization of the United Nations.
Finogenova, A., Strohmaier, R., & Bringezu, S. (2019). The water scarcity footprint of Germany’s domestic consumption and imports. Ecological Indicators, 96, 224–234. https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2018.08.055
FoodDrinkEurope. (2025). Water and the Food & Drink Sector: Building a resilient Europe. Brüssel: FoodDrinkEurope.
Gerbens-Leenes, P. W., Mekonnen, M. M., & Hoekstra, A. Y. (2013). The water footprint of poultry, pork and beef: A comparative study in different countries and production systems. Water Resources and Industry, 1–2, 25–36. https://doi.org/10.1016/j.wri.2013.03.001
Jägermeyr, J., Gerten, D., Heinke, J., Schaphoff, S., Kummu, M., & Lucht, W. (2016). Water savings potentials of irrigation systems: Global simulation of processes and linkages. Hydrology and Earth System Sciences, 20(2), 895–908. https://doi.org/10.5194/hess-20-895-2016
Marston, L., Ao, Y., Konar, M., Mekonnen, M. M., & Hoekstra, A. Y. (2021). High-resolution water footprints of production of the United States. Water Resources Research, 57(4), e2020WR028428. https://doi.org/10.1029/2020WR028428
OECD-FAO. (2023). OECD-FAO Agricultural Outlook 2023–2032. Paris: OECD Publishing, Rom: FAO.
Poore, J., & Nemecek, T. (2018). Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers. Science, 360(6392), 987–992. https://doi.org/10.1126/science.aaq0216
Trase. (2023). Soy supply chains and deforestation risk in Brazil. Stockholm: Stockholm Environment Institute & Global Canopy.
Vanham, D. (2013). An assessment of the virtual water balance for the EU-27. Ecological Indicators, 26, 61–75. https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2012.10.021
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